(lsw) Künstliches Heroin auf Rezept ist für viele Schwerstabhängige der letzte Weg aus dem Sumpf. Doch wann es eine flächendeckende Versorgung gibt, ist unklarer denn je. Nicht selten fehlt es einfach an Patienten mit den notwendigen Voraussetzungen.

Bund und Land sind mittlerweile willig, die Krankenkassen signalisieren Einverständnis – und doch läuft die Diamorphin-Abgabe für Schwerstabhängige in Baden-Württemberg nur schleppend an. Das unternehmerische Risiko, das eine neue Abgabestelle für künstliches Heroin birgt, ist oft zu groß. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums steht die Stadt Stuttgart in den Startlöchern. Der Gemeinderat hat sich Ende November berichten lassen, wie die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Abgabestelle sind. Doch: „Vor 2012 wird es sicher nichts“, schätzt Hans Gros, Suchthilfeplaner der Landeshauptstadt.

Hohe Auflagen

Bevor der Gemeinderat grünes Licht geben könne, müsse die Finanzierung stehen. Und danach dauere es sicher noch ein Jahr. Dabei würde Suchtmediziner Andreas Zsolnai, der die Anlaufstelle betreiben soll, am liebsten bald loslegen. Die rechtlichen Vorgaben seien erfüllt, auch Kooperationspartner habe er schon. „Doch wegen der Auflagen und des hohen Personalschlüssels ist das betriebswirtschaftliche Risiko so hoch, dass ein einzelner Arzt wie ich das nicht schultern kann.“

Bis sich die Abgabestelle trägt, braucht es nach Schätzung der Fachleute rund 50 Patienten. Sie müssen unter anderem mindestens 23 Jahre alt und seit fünf Jahren abhängig sein. Voraussetzung sind zudem zwei gescheiterte Therapieversuche, etwa mit Methadon. Die hohen Hürden führen dazu, dass laut Gesundheitsministerium von den rund 9000 Schwerstabhängigen im Land nur etwa 200 bis 300 die Voraussetzungen für die Diamorphin-Behandlung erfüllen.

Modellprojekt

Eine Anlaufstelle in Stuttgart könne sich durchaus tragen, sagt Zsolnai. Wie lange es aber dauere, bis die notwendigen Patienten auch in die Praxis kommen, könne er nicht schätzen. „Irgendjemand müsste für die Anfangszeit grade stehen. Es bräuchte vielleicht ein fünfjähriges Modellprojekt.“ Für die Räume gibt es ebenfalls enge Vorgaben – aus Sicherheitsgründen. Zsolnais derzeitige Praxis im Gesundheitsamt wäre zu klein. In seinen Augen drängt die Zeit, weil jederzeit Kooperationspartner abspringen könnten. „Wenn es nicht innerhalb des nächsten Jahres festgezurrt wird, besteht die Gefahr, dass es im Sande verläuft.“

Als mögliche Standorte für die Diamorphin-Zentren waren im Sommer auch noch Mannheim, Freiburg, Heilbronn, Tübingen, Singen, Ulm und Ravensburg im Spiel. Doch sieht es vielerorts nicht rosig aus. „Viele dieser Anlaufstellen werden sich wohl nicht realisieren lassen“, sagt Joachim Holzapfel, Leiter des Suchthilfezentrums in Karlsruhe. Meist fehlten Patienten.

 

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