Drogenbedingte Infektionskrankheiten
Eine der besonders schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen des Konsums illegaler Drogen und insbesondere des injizierenden Drogenkonsums ist die Übertragung von HIV und anderen Infektionskrankheiten, vor allem Hepatitis C und B. Der Zusammenhang zwischen injizierendem Drogenkonsum und der Übertragung von Infektionskrankheiten ist eindeutig belegt. Die Eindämmung des injizierenden Drogenkonsums und der gemeinsamen Nutzung von Spritzenbestecken ist daher mittlerweile ein primäres Ziel drogenorientierter Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Ferner weisen Studien auf einen Zusammenhang zwischen Drogenkonsum und hochriskanten sexuellen Verhaltensweisen hin. Daraus wird die zunehmende Notwendigkeit deutlich, Maßnahmen zur Bekämpfung des Drogenkonsums mit Strategien im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu verknüpfen, die auf die Sexualgesundheit abzielen. Was die Beobachtung auf europäischer Ebene betrifft, so werden Daten über Infektionskrankheiten durch reguläre Meldequellen, wobei der injizierende Drogenkonsum als Risikofaktor erfasst werden kann, sowie im Zuge spezieller Studien über Drogenkonsumenten in unterschiedlichen Settings erhoben.
HIV und Aids
Jüngste Tendenzen bei den neu gemeldeten HIV-Fällen
Derzeit melden die meisten Ländern niedrige Raten neu diagnostizierter HIV-Infektionen, die mit dem injizierenden Drogenkonsum in Verbindung gebracht werden. Anhand der Länder, die kontinuierlich niedrige HIV-Infektionsraten unter injizierenden Drogenkonsumenten (IDU) melden, kann untersucht werden, welche Faktoren hierfür verantwortlich sein könnten. Diese Frage wird im laufenden EU-Drogenaktionsplan thematisiert und bildet einen der Schwerpunkte einer von der EBDD koordinierten Studie. In diesem Zusammenhang darf man sich jedoch keinen Illusionen hingeben. Weder Spanien noch Italien, die beide HIV-Epidemien unter IDU zu beklagen hatten, stellen nationale Berichtsdaten über HIV-Fälle zur Verfügung, was erhebliche negative Auswirkungen auf den Wert dieser Daten für die Darstellung des Gesamtbildes in der EU hat. Darüber hinaus geben die Daten aus einigen Ländern Anlass zu der Befürchtung, dass die Zahl der HIV-Infektionen steigen könnte, zumindest in bestimmten Teilgruppen der IDU.
In Frankreich, wo HIV-Fälle erst seit 2003 erfasst werden, ist die HIV-Inzidenz unter IDU (wenn auch ausgehend von einem niedrigen Niveau) von schätzungsweise 2,3 Fällen je 1 Millionen Einwohner im Jahr 2003 auf 2,9 Fälle im Jahr 2004 gestiegen. Dies steht zwar insgesamt im Einklang mit den verfügbaren Erhebungsdaten (siehe unten), es ist jedoch daran zu erinnern, dass neue Meldesysteme in der Anfangsphase häufig instabil sind. In Portugal wird der zuvor verzeichnete scheinbare Rückgang der neu diagnostizieren HIV-Fälle unter IDU durch die Daten des Jahres 2004 in Frage gestellt, die mit 98,5 Fällen je 1 Million Einwohner die EU-weit höchste HIV-Inzidenz belegen (186). Im Vereinigten Königreich ist die HIV-Inzidenz unter IDU langsam gestiegen, bleibt gegenwärtig aber bei jährlich knapp unter 2,5 Fällen je 1 Million Einwohner stabil. In Irland stieg die Inzidenz Ende der 90er Jahre auf einen Spitzenwert von 18,3 Fällen je 1 Million Einwohner im Jahr 2000, fiel anschließend auf 9,8 Fälle je 1 Million Einwohner im Jahr 2001 und stieg dann auf 17,8 Fälle je 1 Million Einwohner im Jahr 2004 an.
Zu HIV-Ausbrüchen im Zusammenhang mit dem injizierenden Drogenkonsum kam es auch in jüngerer Zeit, so zum Beispiel 2001 in Estland und Lettland sowie 2002 in Litauen. Seitdem sind die Raten stark zurückgegangen. Nach einer ersten epidemischen Phase ist in der Regel ein Rückgang der Zahl der neu gemeldeten Fälle zu erwarten, wenn sich ein endemisches Infektionsniveau einstellt (siehe unten).
HIV-Seroprävalenz bei getesteten injizierenden Drogenkonsumenten
Seroprävalenzdaten von injizierenden Drogenkonsumenten (prozentualer Anteil der Infizierten in Stichproben von IDU) stellen eine wichtige Ergänzung zu den Berichten über HIV-Fälle dar. Wiederholte Seroprävalenz-Studien sowie die regelmäßige Überwachung der Daten aus diagnostischen Tests können die aus den Daten der Fallberichterstattung gezogenen Schlussfolgerungen untermauern und detailliertere Informationen über bestimmte Regionen und Settings bereitstellen. Die Prävalenzdaten stammen jedoch aus den unterschiedlichsten Quellen und sind in einigen Fällen unter Umständen schwer vergleichbar; daher sollten sie mit Bedacht interpretiert werden.
Die jüngsten in den Berichten einiger Länder über HIV-Fälle verzeichneten Anstiege werden zumeist durch die verfügbaren Seroprävalenzdaten bestätigt, die jedoch belegen, dass eine erhöhte Wachsamkeit nicht nur in diesen Ländern geboten ist.
In den baltischen Staaten zeigen die verfügbaren Seroprävalenzdaten, dass die Übertragung unter IDU unter Umständen noch immer nicht unter Kontrolle ist (Abbildung 10). In Estland geht aus einer kürzlich durchgeführten Studie hervor, dass die Prävalenz unter IDU in einer Region steigt (Tallinn: von 41 % einer Stichprobe von 964 IDU im Jahr 2001 auf 54 % einer Stichprobe von 350 IDU im Jahr 2005) und in einer anderen außergewöhnlich hoch ist (Kohtla-Järve: 90 % einer Stichprobe von 100 IDU). In Lettland zeigen zwei Zeitreihen von Seroprävalenzdaten unter IDU einen kontinuierlichen Anstieg bis 2002/2003, während eine dritte Reihe einen Rückgang seit dem Höhepunkt im Jahr 2001 belegt. In Litauen zeigen die Daten für das Jahr 2003 einen Anstieg der Zahl der positiv auf HIV getesteten IDU in Drogentherapien, Nadelaustauschprogrammen und Krankenhäusern von zwischen 1,0 % und 1,7 % im Zeitraum 1997 bis 2002 auf 2,4 % (27 von 1 112) im Jahr 2003.
Abbildung 10: HIV-Prävalenz bei getesteten injizierenden Drogenkonsumenten im Zeitraum 2003/2004
Anmerkung:
Die Angaben in (Klammern) sind lokale Daten. Die Farben markieren die mittleren Werte der nationalen Daten bzw., sofern diese nicht verfügbar sind, der lokalen Daten.
In den Daten für Italien und Portugal werden nicht injizierende Drogenkonsumenten berücksichtigt; dies führt wahrscheinlich zu einer Unterschätzung der Prävalenz bei injizierenden Drogenkonsumenten.
* Die Daten wurden teilweise oder vollständig vor dem Jahr 2003 (Spanien 2002/2003; Frankreich 2002/2003; Lettland 2002/2003; Niederlande 2002) bzw. im Jahr 2005 (Estland) erhoben.
Quellen:
Nationale Reitox-Knotenpunkte. Primärquellen, Einzelheiten zu den Studien sowie Daten für den Zeitraum vor 2003 oder nach 2004 sind der Tabelle INF-8 im Statistical Bulletin 2006 zu entnehmen.
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In den Ländern, die in der Vergangenheit hohe Raten von HIV-Infektionen unter IDU verzeichnet haben (Spanien, Frankreich, Italien, Polen und Portugal) gibt es neue Anzeichen für eine fortgesetzte Übertragung auf nationaler Ebene, in bestimmten Regionen oder in bestimmten Teilgruppen von IDU (187). Es muss darauf hingewiesen werden, dass die infolge der umfangreichen Epidemien der 80er und 90er Jahre hohe Hintergrundprävalenz in diesen Ländern die Wahrscheinlichkeit erhöht, das hochriskantes Verhalten zu einer Infektion führt.
Für Spanien und Italien stehen keine nationalen Daten aus der Fallberichterstattung zur Verfügung. Daten aus routinemäßigen diagnostischen Tests sind schwer zu interpretieren, da bei ihnen unterschiedliche Auswahlverzerrungen auftreten können; jedoch geben sie in diesen Ländern Anlass zur Besorgnis. In Spanien blieb die HIV-Prävalenz unter jungen IDU (unter 25 Jahren), die während der Drogenbehandlung getestet wurden, bis 2002 bei über 12 % stabil, während sie unter neuen IDU (definiert als IDU, die seit weniger als zwei Jahren injizieren) im Zeitraum 2000/2001 von 15 % auf 21 % gestiegen ist, was für das Jahr 2002 auf eine hohe Inzidenz schießen lässt. In Italien weisen die einzelnen Regionen sehr unterschiedliche Tendenzen bei IDU auf, wobei in einigen Regionen auch in der letzten Zeit weitere erhebliche Zunahmen der HIV-Prävalenz festgestellt wurden (Bozen, Ligurien, Molise, Toskana und Umbrien).
In Polen deutet die in lokalen Untersuchungen festgestellte hohe Prävalenz unter jungen IDU darauf hin, dass sich HIV zumindest bis vor kurzem weiter ausgebreitet hat (in einer Region lag die Prävalenz im Jahr 2002 bei 15 %, in zwei weiteren Regionen im Jahr 2004 bei 4 % bis 11 %). In der Erhebung des Jahres 2002 wurden vier Fälle (9 %) von HIV unter den 45 neuen injizierenden Konsumenten der Stichprobe gemeldet. Jedoch wurden in der Erhebung des Jahres 2004 bei den 20 neuen IDU der Stichprobe keine Fälle festgestellt.
Schließlich weisen in einigen Ländern, in denen niemals umfangreiche Epidemien unter IDU beobachtet wurden, einige der jüngsten Prävalenzdaten darauf hin, dass Wachsamkeit angezeigt ist. Dies ist offenbar in Luxemburg, Österreich und dem Vereinigten Königreich der Fall, obwohl der Anstieg der HIV-Prävalenz in diesen Ländern begrenzt bleibt und nicht durch Daten aus der Fallberichterstattung untermauert wird.
Länder mit niedriger HIV-Prävalenz
Hinsichtlich der HIV-Prävalenz unter getesteten IDU bestehen nach wie vor große Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedstaaten (Abbildung 10). In einer Reihe von Ländern ist die HIV-Prävalenz unter IDU in jüngster Zeit gestiegen oder bleibt seit vielen Jahren auf hohem Niveau stabil. Dagegen blieb die HIV-Prävalenz unter IDU in mehreren anderen Ländern im Zeitraum 2003/2004 sehr niedrig: Die HIV-Prävalenz lag in der Tschechischen Republik, Griechenland, Ungarn, Malta und Slowenien (basierend auf nationalen Erhebungen) sowie in der Slowakei, Bulgarien, Rumänien, der Türkei und Norwegen (basierend auf subnationalen Erhebungen) unter oder bei etwa 1 %. Einige dieser Länder (z. B. Ungarn) wiesen sowohl bei der HIV-Prävalenz als auch bei der Prävalenz des Hepatitis-C-Virus (HCV) die europaweit niedrigsten Raten auf, was auf niedrige Raten injizierender Drogenkonsumenten hinweist (siehe „Hepatitis B und C“). Jedoch gibt es in einigen Ländern (z. B. Rumänien) Belege für eine steigende Prävalenz von Hepatitis C.
Geschlechtsspezifische Unterschiede hinsichtlich der HIV-Prävalenz zwischen den getesteten IDU
Die verfügbaren Daten für den Zeitraum 2003/2004 zeigen, dass hinsichtlich der Seroprävalenz bei den getesteten IDU Unterschiede zwischen Männern und Frauen festgestellt wurden (188). Die kombinierten Daten aus Belgien, Estland (2005), Spanien (2002), Frankreich, Italien, Luxemburg, Österreich, Polen und Portugal ergaben eine Stichprobe von insgesamt 124 337 Männern und 20 640 Frauen, die vorwiegend in Drogenbehandlungszentren oder anderen Drogendiensten getestet wurden. Die Gesamtprävalenz betrug bei den Männern 13,6 % und bei den Frauen 21,5 %. Zwischen den Ländern wurden erhebliche Unterschiede beobachtet: Während in Estland, Spanien, Italien, Luxemburg und Portugal die höchsten Anteile der Frauen im Verhältnis zu den Männern festgestellt wurden, verzeichnete Belgien mit höheren Raten unter den Männern eine umgekehrte Tendenz.
AIDS-Inzidenz und Verfügbarkeit von HAART
Da die seit 1996 verfügbare hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART) dem Ausbruch von AIDS bei HIV-Infizierten wirksam vorbeugt, sind die AIDS-Inzidenzdaten als Indikator für die Übertragung von HIV weniger geeignet als in der Vergangenheit. Sie belegen jedoch nach wie vor die Gesamtraten der symptomatischen Erkrankungen und stellen einen wichtigen Indikator für die Einführung und das flächendeckende Angebot von HAART für IDU dar.
Schätzungen der WHO zufolge hatte im Jahr 2003 in den westeuropäischen Ländern ein Großteil der behandlungsbedürftigen Menschen (über 70 %) Zugang zu HAART, während der Erfassungsgrad dieser Therapieform in den meisten osteuropäischen Ländern, darunter in Estland, Litauen und Lettland, stärker begrenzt war (189). Jüngere Daten über den Erfassungsgrad von HAART zeigen, dass sich die Lage erheblich gebessert hat und gegenwärtig in allen EU-Mitgliedstaaten und Kandidatenländern mindestens 75 % der behandlungsbedürftigen Menschen Zugang zu HAART haben. Spezifische Daten über die Verfügbarkeit von HAART für IDU liegen jedoch nicht vor, und es bleibt festzustellen, ob der verbesserte Erfassungsgrad zu einem Rückgang der AIDS-Inzidenz unter IDU in Estland und Lettland führen wird.
Was die vier westeuropäischen Länder mit der höchsten AIDS-Inzidenz betrifft, d. h. Spanien, Frankreich, Italien und Portugal, so ist die Inzidenz in den drei erstgenannten Ländern seit 1996 und in Portugal erst seit 1999 zurückgegangen. Portugal ist mit 31 Fällen je 1 Million Einwohner im Jahr 2004 nach wie vor das EU-Land mit der höchsten AIDS-Inzidenz unter IDU. In Lettland ist jedoch die Inzidenz mit 30 Fällen je 1 Million Einwohner fast genauso hoch.
Die von EuroHIV vorgelegten Daten bis 2004 (korrigiert um Meldeverzögerungen) zeigen, dass die AIDS-Inzidenz unter IDU sowohl in Estland als auch in Lettland steigt (190).
Hepatitis B und C
Hepatitis C
Die Prävalenz von Antikörpern gegen das Hepatitis-C-Virus (HCV) unter injizierenden Drogenkonsumenten ist EU-weit im Allgemeinen außerordentlich hoch, wobei es jedoch große Unterschiede innerhalb der Länder und zwischen den einzelnen Ländern gibt. Für die Jahre 2003/2004 werden aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Griechenland, Spanien, Irland, Italien, Polen, Portugal, dem Vereinigten Königreich, Rumänien und Norwegen Prävalenzraten von über 60 % bei Stichproben von injizierenden Drogenkonsumenten gemeldet, während Belgien, die Tschechische Republik, Griechenland, Zypern, Ungarn, Malta, Österreich, Slowenien, Finnland und das Vereinigte Königreich über Stichproben mit Prävalenzraten unter 40 % berichten (191).
Daten über die HCV-Antikörper-Prävalenz unter jungen IDU (unter 25 Jahren) sind aus 14 Ländern verfügbar, beruhen jedoch zum Teil auf kleinen Stichproben. Die Ergebnisse weisen große Unterschiede auf, wobei einige Länder sowohl hohe als auch niedrige Zahlen aus unterschiedlichen Stichproben melden. Im Zeitraum 2003/2004 wurden die höchsten Prävalenzraten unter jungen injizierenden Drogenkonsumenten (über 40 %) in Stichproben aus Belgien, Griechenland, Österreich, Polen, Portugal, der Slowakei sowie dem Vereinigten Königreich und die niedrigsten Prävalenzraten (unter 20 %) in Stichproben aus Belgien, Griechenland, Zypern, Ungarn, Malta, Österreich, Slowenien, Finnland, dem Vereinigten Königreich und der Türkei ermittelt. Berücksichtigt man ausschließlich auf nationaler Ebene durchgeführte Erhebungen unter jungen IDU, wurden die höchsten Prävalenzraten (über 60 %) in Portugal und die niedrigsten (unter 40 %) in Zypern, Ungarn, Malta, Österreich und Slowenien festgestellt. Obwohl die verwendeten Stichprobenverfahren zu einer Verzerrung zugunsten der chronischen Patienten geführt haben könnten, ist die in einer nationalen Stichprobe in Portugal festgestellte hohe HCV-Antikörper-Prävalenz (67 % von 108 IDU unter 25 Jahren) dennoch beunruhigend und könnte auf fortgesetzte hochriskante Verhaltensweisen unter jungen IDU hinweisen (siehe auch „Jüngste Tendenzen bei den neu gemeldeten HIV-Fällen“).
Zwar liegen Daten über die HCV-Antikörper-Prävalenz unter neuen injizierenden Drogenkonsumenten (die seit weniger als zwei Jahren injizieren) nur in begrenztem Umfang vor und stammen aus kleinen Stichproben, dennoch können sie einen besseren Ersatzindikator für die jüngsten Inzidenzraten darstellen als die Daten über junge IDU. Aus den für die Jahre 2003/2004 verfügbaren Informationen geht hervor, dass in Stichproben aus Griechenland, Polen, dem Vereinigten Königreich und der Türkei die höchsten (über 40 %) und in Stichproben aus Belgien, der Tschechischen Republik, Griechenland, Zypern und Slowenien die niedrigsten (unter 20 %) Prävalenzraten unter neuen IDU festgestellt wurden. Niedrige Prävalenzraten wurden in kleinen, jedoch auf nationaler Ebene erhobenen Stichproben neuer IDU in Zypern (nur zwei von 23 IDU wurden positiv auf HCV-Antikörper getestet, das entspricht einem Anteil von 9 %) und Slowenien (zwei von 32 IDU, bzw. 6 % wurden positiv getestet) festgestellt.
Hepatitis B
Auch bei der Prävalenz der Marker für das Hepatitis-B-Virus (HBV) gibt es große Unterschiede sowohl innerhalb der Länder als auch zwischen den einzelnen Ländern. Die vollständigsten Daten liegen für den Marker Anti-HBc vor, der auf Infektionen in der Vergangenheit hinweist. Für den Zeitraum 2003/2004 wurden IDU-Stichproben mit Prävalenzraten über 60 % aus Italien und Polen gemeldet, während Belgien, Irland, Zypern, Österreich, Portugal, Slowenien, die Slowakei und das Vereinigte Königreich über Stichproben mit Prävalenzraten unter 20 % berichteten. Für die Länder, aus denen Meldedaten bezüglich Hepatitis B verfügbar sind, belegen diese für den Zeitraum 1992 bis 2004 ein sehr uneinheitliches Bild (192). In den skandinavischen Ländern betreffen die allermeisten gemeldeten Fälle akuter Hepatitis B injizierende Drogenkonsumenten, und in mehreren Ländern korreliert die Zahl der Ausbrüche von Hepatitis B mit der Zunahme des injizierenden Drogenkonsums. Beispielsweise belegen die Daten für Norwegen, dass die Inzidenz der Hepatitis-B-Infektionen unter IDU zunächst zwischen 1992 und 1998 stark gestiegen und anschließend gesunken ist. In Finnland sind die Meldungen über Hepatitis B unter IDU in den letzten Jahren drastisch zurückgegangen, was möglicherweise auf Impfprogramme und ein umfassendes Nadel- und Spritzenaustauschprogramm zurückzuführen ist.
Prävention von Infektionskrankheiten
Wirksame Maßnahmen
Eine Reihe von Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit hat sich hinsichtlich der Reduzierung der Verbreitung von Infektionskrankheiten unter Drogenkonsumenten als wirksam erwiesen, und es besteht zunehmend Einigkeit darüber, dass ein umfassendes Konzept für die Erbringung von Leistungen in diesem Bereich die größten Erfolgschancen hat. In der Vergangenheit konzentrierte sich die Diskussion auf die Prävention von HIV-Infektionen unter injizierenden Drogenkonsumenten. Gegenwärtig wird jedoch zunehmend auch die Notwendigkeit wirksamer Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Hepatitis sowie der Prävention der Verbreitung von Infektionskrankheiten unter nicht injizierenden Drogenkonsumenten anerkannt.
Es ist darauf hinzuweisen, dass für die Wirksamkeit der Prävention von HIV-Infektionen unter injizierenden Drogenkonsumenten die meisten Belege verfügbar sind. Eine tragfähige Basis verfügbarer Evidenzdaten zeigt, dass die Maßnahmen als wirksam bewertet werden können und der Zugang zu allen Therapieformen zum Schutz der Drogenkonsumenten beiträgt (Farrell et al., 2005; WHO, 2005). Seit Mitte der 90er Jahre werden im Rahmen der europäischen Maßnahmen zunehmend Drogentherapien angeboten (siehe Kapitel 2), die offenbar insgesamt zu dem recht ermutigenden Bild beigetragen haben, das gegenwärtig hinsichtlich der epidemischen Verbreitung von HIV unter injizierenden Drogenkonsumenten in Europa zu beobachten ist.
Die Behandlung ist nur ein Teil eines umfassenden Konzepts zur HIV-Prävention. Ein solches Konzept muss außerdem eine Reihe von Informations-, Schulungs- und Kommunikationstechniken, freiwillige Beratungen über Infektionskrankheiten und entsprechende Tests, Impfungen, die Ausgabe steriler Spritzenbestecke sowie andere vorbeugende Maßnahmen umfassen. Gemeinsam mit dem Angebot einer medizinischen Versorgung in niedrigschwelligen Diensten oder sogar auf der Straße können diese Maßnahmen dazu beitragen, die Kommunikation mit aktiven Drogenkonsumenten und ihren Sexualpartnern über die Risiken und die Prävention gesundheitlicher Folgen des Drogenkonsums herzustellen oder zu verbessern.
Eine grundsätzliche Verpflichtung zu einem umfassenden Konzept impliziert nicht, dass alle diese Leistungen auf nationaler Ebene in gleichem Umfang entwickelt oder unterstützt werden. Jedoch zeichnet sich offenbar ein gewisser Konsens ab. In einer Erhebung unter den nationalen Knotenpunkten nannten drei von vier Befragten die Kombination von Nadel- und Spritzenaustauschprogrammen mit Information und Beratung als eine Priorität der nationalen Politik zur Bekämpfung der Verbreitung von Infektionskrankheiten unter injizierenden Drogenkonsumenten (Abbildung 11). Die Tatsache, dass gegenwärtig so viele Länder explizit die Bedeutung der Bereitstellung sauberer Spritzenbestecke als Teil ihrer HIV-Präventionsstrategie anerkennen, zeigt, dass sich diese Form von Leistungen in Europa erfolgreich durchgesetzt hat und nicht länger in den meisten Ländern kontrovers diskutiert wird. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein einhelliger Konsens über die Vorteile dieser Angebote besteht. So wurden sie beispielsweise in Griechenland und Schweden nicht als politische Priorität eingestuft. Insgesamt zeichnet sich aber hinsichtlich der Durchführung von Maßnahmen in diesem Bereich EU-weit ein recht homogenes Bild ab (193): Alle Länder mit Ausnahme Zyperns berichten über die Existenz von Programmen für den Austausch von Spritzenbestecken oder die Ausgabe steriler Nadeln und Spritzen (194).
Formen von Nadel- und Spritzenaustauschprogrammen in europäischen Ländern
Zwar werden in den meisten europäischen Ländern sterile Spritzenbestecke ausgegeben, jedoch gibt es zwischen den Ländern Unterschiede hinsichtlich der Art und der Reichweite dieser Angebote. Am weitesten verbreitet ist ein Modell, bei dem diese Leistung an einem bestimmten Ort, in der Regel bei einem spezialisieren Drogendienst, angeboten wird, wobei dies jedoch häufig durch mobile Dienste ergänzt wird, die versuchen, Drogenkonsumenten in Gemeindeeinrichtungen zu erreichen. In acht Ländern (195) werden neben den verfügbaren Nadel- und Spritzenaustauschdiensten auch Automaten für den Austausch oder Verkauf von Spritzen bereitgestellt. Dieses Angebot ist aber offenbar auf einige wenige Orte begrenzt, und nur Deutschland und Frankreich berichten über erhebliche Aktivitäten in diesem Bereich (etwa 200 bzw. 250 Automaten). Spanien ist das einzige EU-Land, in dem Nadel- und Spritzenaustauschprogramme regelmäßig in Haftanstalten angeboten werden: Hier war dieses Angebot im Jahr 2003 in 27 Haftanstalten verfügbar. Als einziges weiteres EU-Land berichtet Deutschland über Tätigkeiten in diesem Bereich, wobei jedoch das Angebot auf eine Haftanstalt beschränkt ist.
Kasten 15: Ist die flächendeckende Versorgung mit Spritzen in Europa ausreichend?
Zwar berichten fast alle Mitgliedstaaten über eine gewisse Verfügbarkeit von Nadel- und Spritzenaustauschprogrammen, jedoch ist die Wirkung dieser Maßnahmen davon abhängig, ob der Versorgungsgrad geeignet ist, den Bedarf der injizierenden Drogenkonsumenten zu decken.
Jüngere Schätzungen über die Zahl der injizierenden Drogenkonsumenten und über die Zahl der an diese ausgegebenen Spritzen liegen aus neun europäischen Ländern vor. Ausgehend von diesen Daten kann eine grobe Schätzung der Zahl der jedem injizierenden Konsumenten jährlich zur Verfügung stehenden Spritzen vorgenommen werden (1). Den jüngsten verfügbaren Daten zufolge gibt es hinsichtlich des Versorgungsgrads der Nadel- und Spritzenaustauschprogramme erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern: Die Zahl der je injizierendem Drogenkonsumenten ausgegebenen Spritzen reicht von 2 bis 3 Spritzen in Griechenland über 60 bis 90 in der Tschechischen Republik, Lettland, Österreich und Portugal bis hin zu etwa 110 in Finnland, 210 in Malta und über 250 Spritzen in Luxemburg und Norwegen. Darüber hinaus sind auch in Apotheken Spritzen erhältlich, und die Daten aus der Tschechischen Republik und Finnland weisen darauf hin, dass von einer schätzungsweise flächendeckenden Verfügbarkeit von Spritzen ausgegangen werden kann. Unter Berücksichtung sowohl der Ausgabe- als auch der Verkaufsdaten ergibt sich der Schluss, dass jeder injizierende Drogenkonsument in der Tschechischen Republik durchschnittlich 125 Spritzen und in Finnland 140 Spritzen jährlich erhält.
Bekanntermaßen beeinflussen viele Faktoren die Injektionshäufigkeit der Drogenkonsumenten, darunter die Konsummuster, der Grad der Abhängigkeit und die Art der konsumierten Droge. Bei einer vor kurzem durchgeführten Studie über den Zusammenhang zwischen der HIV-Prävalenz und dem Versorgungsgrad der Spritzenverteilungsprogramme wurde festgestellt, dass bestimmte Verhaltensweisen, z. B. die Injektionshäufigkeit und die Wiederverwendung von Spritzen durch den Einzelnen, starken Einfluss darauf haben, welcher Versorgungsgrad erreicht werden muss, um einen substanziellen Rückgang der HIV-Prävalenz zu erzielen (Vickerman et al., 2006).
Die Bemessung des Grads der Versorgung mit Spritzen ist ein wichtiger Faktor für das Verständnis der wahrscheinlichen Auswirkungen der Spritzenverteilung auf die Prävention von Erkrankungen und für die Beurteilung des ungedeckten Bedarfs. Es ist jedoch wichtig, bei der Interpretation dieser Daten sowohl die Verfügbarkeit von Spritzen im Rahmen des Verkaufs in Apotheken (Preise, Dichte der Apothekennetze) als auch die Verhaltensmuster der injizierenden Drogenkonsumenten sowie Milieufaktoren zu berücksichtigen. Dieses Thema wird im Statistical Bulletin 2006 weiter erörtert.
(1) Methodische Einzelheiten sind dem Statistical Bulletin 2006 zu entnehmen.
Die Einbeziehung von Apotheken in Austauschprogramme trägt ebenfalls dazu bei, die geografische Reichweite des Angebots zu erweitern, und auch durch den Verkauf sauberer Spritzen in Apotheken könnte die Verfügbarkeit dieser Spritzen verbessert werden. Der Verkauf von Spritzen ohne Rezept ist mit Ausnahme Schwedens in allen EU-Ländern erlaubt, obwohl einige Apotheker nicht dazu bereit sind und einige sogar Drogenkonsumenten aktiv den Zutritt zu ihren Geschäftsräumen verwehren. In neun europäischen Ländern (in Belgien, Dänemark, Deutschland, Spanien, Frankreich, den Niederlanden, Portugal, Slowenien und im Vereinigten Königreich) gibt es formal organisierte Apotheken-Netze für den Austausch oder die Ausgabe von Spritzen, wobei es jedoch hinsichtlich der Beteiligung an diesen Programmen beträchtliche Unterschiede gibt: Sie reicht von fast der Hälfte der Apotheken (45 %) in Portugal bis unter 1 % in Belgien. In Nordirland erfolgt der Austausch von Nadeln und Spritzen gegenwärtig ausschließlich in Apotheken.
Der Erwerb von Spritzen in Apotheken könnte für einige injizierende Drogenkonsumenten eine gute Chance bieten, mit dem Gesundheitswesen in Berührung zu kommen, und es besteht eindeutig die Möglichkeit, diese Kontaktstellen als Anlaufpunkte für die Vermittlung in andere Betreuungsdienste zu nutzen. Die Motivation und Unterstützung der Apotheker bei der Erweiterung ihrer Leistungen auf Drogenkonsumenten könnten einen wichtigen Beitrag zur Ausweitung der Rolle der Apotheken leisten, jedoch werden offenbar nur in Frankreich, Portugal und im Vereinigten Königreich entsprechende Anstrengungen unternommen.
Mortalität und drogenbedingte Todesfälle
Mortalität unter problematischen Drogenkonsumenten
Die meisten Informationen über die Mortalität unter problematischen Drogenkonsumenten in Europa beziehen sich auf Opioidkonsumenten. Über die Mortalität im Zusammenhang mit anderen Formen des Drogenkonsums liegen weniger Informationen vor, sie stellt jedoch nach wie vor im Bereich der öffentlichen Gesundheit ein wichtiges Thema dar.
In einer im Rahmen eines EBDD-Projekts durchgeführten Gemeinschaftsstudie wurde die Mortalität unter in Behandlung befindlichen Opioidkonsumenten in acht europäischen Ländern bzw. Städten untersucht (196). Dabei wurde festgestellt, dass die Mortalitätsrate unter Opioidkonsumenten wesentlich höher ist als unter den Angehörigen derselben Altersgruppe in der Allgemeinbevölkerung: Die Mortalität unter Opioidkonsumenten ist bei Männern sechs bis 20 Mal, bei Frauen zehn bis 50 Mal höher. In sechs Städten (Amsterdam, Barcelona, Dublin, London, Rom und Wien) können schätzungsweise 10 % bis 23 % aller Todesfälle unter Erwachsenen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren mit dem Konsum von Opioiden in Verbindung gebracht werden, vor allem mit Überdosen, AIDS und externen Ursachen (Unfälle, Selbstmorde). Etwa ein Drittel dieser drogenbedingten Todesfälle war auf Überdosen zurückzuführen, wobei dieser Anteil in Städten mit einer niedrigen Prävalenz von HIV-Infektionen unter injizierenden Drogenkonsumenten höher war und vermutlich steigen wird, sobald die hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART) flächendeckender angeboten wird.
Bei einer in der Tschechischen Republik durchgeführten Kohortenstudie zur Mortalität wurde festgestellt, dass die Mortalität unter den Konsumenten von Stimulanzien vier bis sechs Mal (standardisierte Sterblichkeitsrate) und unter den Opioidkonsumenten neun bis zwölf Mal höher war als in der Allgemeinbevölkerung. Eine französische Kohortenstudie unter Menschen, die wegen des Konsums von Heroin, Kokain oder Crack festgenommen worden waren, ergab bei Männern eine fünf Mal höhere und bei Frauen eine 9,5 Mal höhere Mortalität als in der Allgemeinbevölkerung, wobei allerdings auch eine rückläufige Tendenz festgestellt wurde.
Mit dem zunehmenden Alter der Opiatkonsumenten kommen zu den Todesfällen durch externe Ursachen (d. h. den nicht durch eine Überdosis verursachten Todesfällen) wie Selbstmord und Gewalt auch Todesfälle aufgrund chronischer Krankheiten (Zirrhose, Krebs, Atemwegserkrankungen, Endocarditis, AIDS) hinzu (nationale Berichte der Niederlande 2004 und 2005, Daten des städtischen Gesundheitsamtes Amsterdam). Die Lebensbedingungen der Drogenkonsumenten (z. B. Obdachlosigkeit, psychische Erkrankungen, Gewalt, Mangelernährung usw.) können ebenfalls erheblich zu der hohen Mortalität in dieser Bevölkerungsgruppe beitragen.
Im Jahr 2002 wurden darüber hinaus 1 528 Aids-Todesfälle gemeldet (197), die mit dem intravenösen Drogenkonsum in Verbindung gebracht wurden. Dabei dürfte es sich jedoch um eine Unterschätzung handeln. Andere Ursachen für drogenbedingte Todesfälle wie Krankheiten (z. B. Hepatitis), Gewalt und Unfälle sind schwerer zu beurteilen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass sie für eine erhebliche Zahl von Todesfällen verantwortlich sind. Schätzungsweise können 10 % bis 20 % der Todesfälle unter jungen Erwachsenen in europäischen Städten mit dem Konsum von Opioiden in Verbindung gebracht werden (siehe oben). Darüber hinaus sollten die Todesfälle im Zusammenhang mit anderen Formen des Drogenkonsums berücksichtigt werden, die jedoch sehr schwer zu beziffern sind.
Drogenbedingte Todesfälle
Der Begriff der drogenbedingten Todesfälle ist komplex. In einigen Berichten werden damit ausschließlich Todesfälle bezeichnet, die unmittelbar durch die Wirkung psychoaktiver Substanzen verursacht werden, während in anderen Fällen auch Todesfälle mit eingeschlossen werden, bei denen der Drogenkonsum eine indirekte oder begleitende Rolle gespielt hat (Verkehrsunfälle, Gewalt, Infektionskrankheiten). In einem kürzlich vorgelegten Bericht, in dem die Formen der im Vereinigten Königreich durch den Konsum illegaler Drogen verursachten Schäden analysiert wurden, kamen die Autoren zu der Einschätzung, dass drogenbedingte Todesfälle die häufigsten durch den Drogenkonsum verursachten Schäden darstellen (MacDonald et al., 2005).
In diesem Abschnitt sowie im EBDD-Protokoll bezeichnet der Begriff „drogenbedingte Todesfälle“ jene Fälle, in denen der Tod unmittelbar durch den Konsum einer oder mehrerer Drogen verursacht wurde und in der Regel kurz nach der Einnahme der Substanz(en) eingetreten ist. Diese Fälle werden unter anderem auch als „Überdosis“, „Vergiftung“, „drogeninduzierte Todesfälle“ oder „akute drogenbedingte Todesfälle“ bezeichnet (198).
Zwischen 1990 und 2003 meldeten die EU-Länder jährlich 6 500 bis über 9 000 solcher Todesfälle, insgesamt also über 113 000 Fälle. Diese Zahlen sind als Minimalschätzungen anzusehen, da wahrscheinlich in vielen Ländern nicht alle Fälle gemeldet werden (199).
Mit Raten zwischen 0,2 und über 50 Todesfällen (durchschnittlich 13) je 1 Million Einwohner verzeichneten die europäischen Länder sehr unterschiedliche Mortalitätsraten im Zusammenhang mit drogenbedingten Todesfällen. In den meisten Ländern bewegt sich diese Zahl in der Spanne zwischen sieben und 30 Todesfällen je 1 Million Einwohner, wobei in Dänemark, Estland, Luxemburg, Finnland, dem Vereinigten Königreich und Norwegen Raten von über 25 Fällen ermittelt wurden. Unter Männern im Alter zwischen 15 und 39 Jahren sind die Mortalitätsraten in der Regel drei Mal so hoch (durchschnittlich 40 Todesfälle je 1 Million Einwohner), wobei sieben Länder Raten von über 80 Todesfällen je 1 Million Einwohner melden. Im Zeitraum 2003/2004 waren 3 % aller Todesfälle unter Europäern im Alter zwischen 15 und 39 Jahren drogenbedingte Todesfälle, wobei ihr Anteil in Dänemark, Griechenland, Luxemburg, Malta, Österreich, dem Vereinigten Königreich und Norwegen bei über 7 % lag. Diese Zahlen sind als Mindestschätzungen zu betrachten. Darüber hinaus sollte berücksichtigt werden, dass ungeachtet der vorgenommenen Verbesserungen noch immer erhebliche Qualitätsunterschiede in der Berichterstattung der einzelnen Länder bestehen und somit direkte Vergleiche mit Bedacht anzustellen sind (200).
Opioidbedingte Todesfälle
Bei den meisten in der EU gemeldeten „akuten drogenbedingten Todesfällen“, die auf illegale Substanzen zurückzuführen sind, spielen Opioide eine Rolle, obwohl in zahlreichen Fällen bei der toxikologischen Untersuchung auch andere Substanzen nachgewiesen wurden, insbesondere Alkohol, Benzodiazepine und, in einigen Ländern, Kokain. In Europa werden die meisten opioidbedingten Todesfälle mit Heroin in Verbindung gebracht, es werden jedoch auch andere Opioide festgestellt (siehe unten) (201).
Eine Überdosierung mit Opioiden ist eine der häufigsten Todesursachen bei jungen Menschen in Europa, vor allem unter Männern in städtischen Gebieten. Derzeit sind Überdosierungen bei Opioidkonsumenten EU-weit die häufigste Todesursache, insbesondere in Ländern mit einer niedrigen HIV-Prävalenz unter injizierenden Drogenkonsumenten (siehe „Mortalität unter problematischen Drogenkonsumenten“).
Am häufigsten werden Überdosen von männlichen Drogenkonsumenten eingenommen (202): In 65 % bis 100 % der Fälle sind Männer betroffen, wobei dieser Anteil in den meisten Ländern zwischen 75 % und 90 % liegt. In der Tschechischen Republik, Polen und Finnland werden die höchsten und in Griechenland, Italien und Zypern die niedrigsten Anteile von Frauen gemeldet. Diese Ergebnisse müssen im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Raten des Opioidkonsums und des injizierenden Drogenkonsums bei Männern und Frauen interpretiert werden.
Die meisten Opfer einer Überdosis stehen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren, wobei das Durchschnittsalter in den meisten Ländern bei Mitte 30 liegt (die Spanne reicht jedoch von 20 bis 44 Jahre). Das niedrigste Durchschnittsalter der Opfer von Überdosierungen wird aus Estland, Slowenien, Bulgarien und Rumänien, das höchste aus der Tschechischen Republik, den Niederlanden, Polen und Finnland gemeldet. Für die Altersgruppe unter 15 Jahren werden nur sehr wenige Todesfälle durch Überdosierungen gemeldet (17 Fälle von insgesamt 7 516 Todesfällen, basierend auf den jüngsten verfügbaren Daten der einzelnen Länder), wobei in den Berichten möglicherweise nicht alle drogenbedingten Todesfälle in dieser Altergruppe erfasst werden. Die Daten der EBDD beinhalten einige Todesfälle von Erwachsenen im Alter von über 65 Jahren, wobei nur sieben Länder berichten, dass diese Altersgruppe mehr als 5 % der Fälle ausmacht (203).
In einigen neuen Mitgliedstaaten (Estland, Zypern, Lettland und Slowakei) sowie in den Kandidatenländern Bulgarien und Rumänien ist das Durchschnittsalter zum Todeszeitpunkt vergleichsweise niedrig. In diesen Ländern ist der Anteil der Opfer einer Überdosis im Alter von unter 25 Jahren hoch, was darauf schließen lässt, dass die Heroinkonsumenten in diesen Ländern im Durchschnitt jünger sind. Das hohe Durchschnittsalter in der Tschechischen Republik ist darauf zurückzuführen, dass hier zahlreiche Todesfälle infolge der Einnahme psychoaktiver Arzneimittel einbezogen werden (Abbildung 12).
In vielen Mitgliedstaaten ist zu beobachten, dass die Opfer einer Überdosis älter werden, woraus der Schluss gezogen werden kann, dass weniger junge Menschen Heroin konsumieren. Diese Tendenz ist seit Anfang der 90er Jahre in allen EU-15-Mitgliedstaaten festzustellen, wobei sie jedoch in Schweden und dem Vereinigten Königreich weniger ausgeprägt ist. Auch in den neuen Mitgliedstaaten ist die Tendenz weniger deutlich, und in vielen Fällen ist sogar ein sinkendes Durchschnittsalter zu beobachten (204).
Durch Methadon verursachte Todesfälle
In ihren Reitox-Berichten 2005 meldeten mehrere Länder, dass bei einem erheblichen Anteil der drogenbedingten Todesfälle Methadon nachgewiesen wurde. Die einzelnen Länder verwenden unterschiedliche Terminologien, und in einigen Fällen kann kaum festgestellt werden, inwieweit Methadon als Todesursache eine Rolle gespielt hat.
Dänemark berichtet, dass Methadon (alleine oder in Kombination mit anderen Substanzen) in 44 % der Todesfälle (95 von 214 Fällen im Jahr 2004) die Ursache der Vergiftung war, was ungefähr dem im Jahr 2003 festgestellten Anteil entspricht, jedoch einen deutlichen Anstieg seit 1997 darstellt. Deutschland gibt an, dass 345 Fälle mit „Substitutionsmitteln“ in Verbindung gebracht wurden (im Jahr 2004 wurden in 46 Fällen ausschließlich Substitutionsmittel und in 299 Fällen Substitutionsmittel in Kombination mit anderen Suchtstoffen nachgewiesen), was einem deutlichen Rückgang seit 2002 entspricht. Aus dem Vereinigten Königreich werden 216 Fälle gemeldet, bei denen Methadon „erwähnt“ wurde (England und Wales im Jahr 2003), was ebenfalls einen deutlichen Rückgang seit 2002 bedeutet. Spanien berichtet über wenige Fälle von Überdosierungen, die ausschließlich mit Methadon in Verbindung gebracht wurden (2 %), jedoch über zahlreiche opioidbedingte (42 %) und kokainbedingte (20 %) Todesfälle, in denen auch Methadon nachgewiesen wurde. Andere Länder meldeten keine oder nur sehr wenige Todesfälle im Zusammenhang mit Methadon. Es ist unklar, welche Faktoren für diese Unterschiede verantwortlich sind und ob in einigen Ländern nicht alle Fälle gemeldet werden (205).
Die Forschungen belegen zwar, dass Substitutionstherapien das Risiko einer tödlichen Überdosierung verringern, dennoch ist es wichtig, im Rahmen der Qualitätssicherung von Substitutionsprogrammen auch die Zahl der mit Methadon in Verbindung gebrachten Todesfälle und die jeweiligen Begleitumstände (die Herkunft der Substanz, ob sie in Kombination mit anderen Substanzen konsumiert wurde, das Therapiestadium, in dem es zu der Vergiftung kam) zu beobachten.
Todesfälle im Zusammenhang mit Buprenorphin und Fentanyl
Die Tatsache, dass es offenbar nur selten zu Todesfällen infolge einer Vergiftung durch Buprenorphin kommt, wird auf die pharmakologischen Eigenschaften dieser agonistisch-antagonistisch wirksamen Droge zurückgeführt. Dennoch wurden aus den europäischen Ländern einige Todesfälle gemeldet.
In den nationalen Berichten 2005 nannten lediglich Frankreich und Finnland Todesfälle, die mit dieser Substanz in Verbindung gebracht wurden. In Finnland wurde 2004 bei 73 drogenbedingten Todesfällen Buprenorphin nachgewiesen, das entspricht der bereits 2003 gemeldeten Zahl. Dabei wurde die Droge in der Regel in Kombination mit Benzodiazepinen, Sedativa oder Alkohol eingenommen. Diese hohen Angaben gehen mit einer zunehmenden Zahl von Buprenorphintherapien in Finnland einher, wobei hier jedoch die Zahl der mit Buprenorphin behandelten Patienten wesentlich geringer ist als in Frankreich, wo schätzungsweise 70 000 bis 85 000 Menschen eine Buprenorphintherapie erhalten. Interessanterweise meldet Frankreich im Jahr 2004 jedoch nur vier Fälle von Buprenorphin-Überdosen (gegenüber acht Fällen im Jahr 2003). Selbst wenn man eine mögliche Dunkelziffer von Vergiftungen in Frankreich berücksichtigt, ist dieser immense Unterschied frappierend. Neben Frankreich und Finnland werden aus drei weiteren Ländern (jeweils nur zwei oder drei Fälle je Land) Todesfälle gemeldet, die mit Buprenorphin in Verbindung gebracht wurden, wobei die Substanz jedoch nicht als primäre Todesursache nachgewiesen wurde.
Während die Ostseeanrainerländer in den vorangegangenen Jahren noch Todesfälle im Zusammenhang mit Fentanyl gemeldet hatten, wurden in den nationalen Berichten 2005 keine solchen Todesfälle angegeben.
Entwicklungstendenzen bei akuten drogenbedingten Todesfällen
Aus den nationalen Tendenzen bei drogenbedingten Todesfällen können einige Rückschlüsse auf die Entwicklungen der Muster des problematischen Drogenkonsums in den einzelnen Ländern, beispielsweise im Hinblick auf Heroinepidemien und hochriskante Verhaltensweisen (z. B. injizierender Drogenkonsum), auf die Bereitstellung von Behandlungen und selbst auf die unterschiedliche Verfügbarkeit des Heroins gezogen werden. Diese Tendenzen können selbstverständlich auch auf erfolgreiche Verfahrensweisen der medizinischen Notfalldienste zur Verhinderung tödlicher Überdosierungen zurückzuführen sein (206).
Die für die EU verfügbaren Daten weisen auf einige allgemeine Tendenzen bei drogenbedingten Todesfällen hin. In den EU-15-Mitgliedstaaten wurde in den 80er und frühen 90er Jahren eine drastische Zunahme beobachtet, die möglicherweise mit der Verbreitung des Heroinkonsums und des injizierenden Heroinkonsums einherging. Zwischen 1990 und 2000 stieg die Zahl der drogenbedingten Todesfälle weniger schnell, aber kontinuierlich an (Abbildung 13). Die jährliche Zahl der drogenbedingten Todesfälle stieg in den Mitgliedstaaten, aus denen entsprechende Daten vorliegen (die meisten alten und neuen Mitgliedstaaten) zwischen 1995 und 2000 um 14 % von insgesamt 8 054 auf 9 392 Fälle an.
Abbildung 13: Langfristige Tendenzen bei akuten drogenbedingten Todesfällen, 1985 bis 2004
Anmerkung:
In diesen Daten sind die neuen Mitgliedstaaten und die Kandidatenländer nicht berücksichtigt, da für diese in den meisten Fällen keine retrospektiven Daten vorliegen.
Die Zahl der Todesfälle in den einzelnen Ländern sowie Anmerkungen zur Methodik sind Tabelle DRD-2 im Statistical Bulletin 2006 zu entnehmen.
Für das Jahr 2004 haben zehn Länder Angaben zur Verfügung gestellt, während aus sechs Ländern keine Daten vorliegen. Daher ist die Angabe für das Jahr 2004 vorläufig und basiert auf einem Vergleich der Daten aus 2003 und 2004 lediglich der Länder, die für beide Jahre Daten übermittelt haben.
Quellen:
Nationale Reitox-Berichte 2005, auf der Grundlage von allgemeinen Todesursachenregistern oder (gerichtsmedizinischen bzw. polizeilichen) Spezialregistern.
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Seit 2000 berichten viele EU-Länder über einen Rückgang der Zahl der drogenbedingten Todesfälle, was möglicherweise auf die bessere Verfügbarkeit von Behandlungen und vermehrte Maßnahmen zur Schadensminimierung zurückzuführen ist, wobei jedoch auch die sinkende Prävalenz des Drogenkonsums eine wichtige Rolle spielen könnte. Auf europäischer Ebene ist die Zahl der drogenbedingten Todesfälle 2001 um 6 %, 2002 um 13 % und 2003 um 7 % gesunken. Trotz dieser Verbesserungen wurden 2003 noch immer fast 7 000 drogenbedingte Todesfälle gemeldet (aus Belgien, Spanien und Irland liegen keine Daten vor). In den 19 Ländern, die im Jahr 2004 Daten vorgelegt haben, wurde ein geringer Anstieg um 3 % ermittelt. Zwar sollten für das Jahr 2004 nur vorsichtige Rückschlüsse gezogen werden, jedoch weisen 13 der 19 Berichte auf einen gewissen Anstieg hin.
Hinsichtlich der Zahl der drogenbedingten Todesfälle unter jungen Menschen im Alter von unter 25 Jahren ist eine starke Diskrepanz zwischen den Tendenzen in den alten und neuen Mitgliedstaaten zu beobachten. In den EU-15-Mitgliedstaaten ist seit 1996 ein kontinuierlicher Rückgang festzustellen, was auf eine sinkende Zahl junger injizierender Opioidkonsumenten schließen lässt. Dagegen wurde in den neuen Mitgliedstaaten bis zum Zeitraum 2000 bis 2002 ein deutlicher Anstieg beobachtet, der erst im Jahr 2003 von einem merklichen Rückgang abgelöst wurde (207).
Darüber hinaus sind auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern auszumachen. Bei den Männern ist die Zahl der Todesfälle zwischen 1990 und 2000 nach und nach gestiegen und anschließend deutlich zurückgegangen (bis 2003 um 30 %), während bei den Frauen die Zahl der gemeldeten Todesfälle zwischen 1990 und 2000 bei jährlich 1 700 bis 2 000 Fällen in etwa stabil geblieben und seitdem um nur 15 % gesunken ist. Dies könnte auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen sein, unter anderem auf eine unterschiedliche Wirksamkeit der Maßnahmen oder auf verschiedene Risikofaktoren bei Männern und Frauen (208).
In Ländern, für die längere Datenreihen vorliegen, können bei drogenbedingten Todesfällen unterschiedliche Muster festgestellt werden. In einigen Ländern erreichte die Zahl der drogenbedingten Todesfälle Anfang der 90er Jahre ihren Höhepunkt und ging anschließend zurück, beispielsweise in Deutschland, wo der Höhepunkt im Zeitraum 1991/92 erreicht wurde, sowie in Spanien (1991), Frankreich (1994) und Italien (1991). In anderen Ländern, z. B. in Griechenland, Irland, Portugal, Finnland, Schweden und Norwegen, erreichte die Zahl der drogenbedingten Todesfälle ihren Höhepunkt erst später, zwischen 1998 und 2001, und ging anschließend wieder zurück. In wieder anderen Ländern war ein weniger deutliches Muster erkennbar oder die Zahlen blieben stabil. Obwohl aufgrund der relativ geringen Zahl der drogenbedingten Todesfälle in einigen Ländern nur vorsichtige Rückschlüsse gezogen werden sollten, könnten diese Muster auch mit den Tendenzen beim injizierenden Heroinkonsum in Verbindung gebracht werden (209).
Todesfälle in Verbindung mit Ecstasy und Amphetaminen
Todesfälle in Verbindung mit Ecstasy werden aus den europäischen Ländern seit den 90er Jahren gemeldet, als sich der Konsum der Droge verbreitete. Diese Todesfälle sind besonders besorgniserregend, da häufig völlig unerwartet sozial integrierte junge Menschen betroffen sind.
Es liegen nur in begrenztem Umfang Informationen über Todesfälle im Zusammenhang mit Ecstasy vor, jedoch weisen die Daten der nationalen Reitox-Berichte 2005 darauf hin, dass derartige Todesfälle im Vergleich zu opioidbedingten Todesfällen nach wie vor relativ selten sind. In einigen Ländern ist ihre Zahl jedoch nicht zu vernachlässigen. Insgesamt wurden in Europa 77 Todesfälle in Verbindung mit Ecstasy gemeldet, wobei dies als Mindestschätzung betrachtet werden sollte (210). Über Todesfälle wurde aus Dänemark (2), Deutschland (20), Frankreich (4), Ungarn (3) und dem Vereinigten Königreich (48 „Erwähnungen“ von Ecstasy, davon 33 in England und Wales) berichtet, was vermutlich auf bessere Meldesysteme in diesen Ländern zurückzuführen ist. In Spanien wurde bei 2,5 % der Vergiftungen durch Drogen Ecstasy nachgewiesen.
Das Thema der mit dem Ecstasykonsum verbundenen Risiken wurde häufig angesprochen. Dividiert man die Zahl der festgestellten Todesfälle durch die Zahl der jährlich erfassten Konsumenten (211) (potenziell gefährdete Menschen), ergeben sich in den beiden Ländern, für die diese Berechnung vorgenommen werden kann, Raten von fünf bis acht Fällen bzw. zwei bis fünf Fällen je 100 000 Konsumenten. Dabei sind jedoch die Fehlerspanne der auf Erhebungen basierenden Prävalenzschätzungen und die Schwierigkeiten bei der Meldung drogenbedingter Todesfälle zu berücksichtigen.
Todesfälle in Verbindung mit Amphetaminen werden ebenfalls nur selten gemeldet. In der Tschechischen Republik wurden jedoch im Jahr 2004 16 Todesfälle mit Pervitin (Methamphetamin) in Verbindung gebracht, nahezu doppelt so viele wie im Vorjahr. Dies stand im Einklang mit einem Anstieg der geschätzten Zahl problematischer Pervitinkonsumenten und der Behandlungsnachfragen. Einzelheiten zu Todesfällen im Zusammenhang mit GHB sind Kapitel 4 zu entnehmen.
Todesfälle in Verbindung mit Kokain
Es herrscht zunehmend Besorgnis über die Gesundheitsrisiken des Kokainkonsums, da in einigen Ländern ein steigender Kokainkonsum in der Freizeit beobachtet wird, und zwar bei jungen Menschen, bei in Behandlung befindlichen Drogenabhängigen und in Randgruppen.
Kokain wird häufig von Opioidkonsumenten eingenommen, und in der Regel werden in Fällen einer Überdosierung von Opioiden bei der toxikologischen Analyse Kokain sowie andere Substanzen wie Alkohol und Benzodiazepine festgestellt. Kokain wird häufig gemeinsam mit Alkohol konsumiert, was eine erhöhte Toxizität zur Folge haben kann.
Derzeit sind in Europa nur in begrenztem Umfang Statistiken verfügbar, und aufgrund von Veränderungen bei den Kriterien zur Ermittlung kokainbedingter Todesfälle sind die Angaben nicht vergleichbar. Darüber hinaus werden einige kokainbedingte Todesfälle unter Umständen nicht erkannt oder bleiben ungemeldet, was sich in einer unvollständigen Berichterstattung niederschlägt. Den vorliegenden Daten zufolge werden bei zahlreichen Todesfällen, bei denen Kokain eine Rolle spielt, auch Opioide nachgewiesen.
Die Länder, die Daten zur Verfügung gestellt haben, meldeten in ihren nationalen Berichten 2005 insgesamt mehr als 400 Todesfälle im Zusammenhang mit Kokain. Hierbei handelt es sich um eine Mindestschätzung. In den meisten dieser Fälle wurde die Todesursache offenbar mit Kokain in Verbindung gebracht, wobei dies aus den Berichten nicht immer eindeutig hervorgeht. In den Berichten aus neun Ländern wurden weder Todesfälle im Zusammenhang mit Kokain genannt, noch wurde explizit darauf hingewiesen, dass keine derartigen Todesfälle verzeichnet wurden. 0 % bis 20 % der gemeldeten akuten drogenbedingten Todesfälle wurden mit Kokain in Verbindung gebracht, wobei dieser Anteil in Deutschland, Spanien, Frankreich, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich zwischen 10 % und 20 % lag. Todesfälle, bei denen die Todesursache mit Kokain in Verbindung gebracht wurde (alleine oder in Kombination mit anderen Substanzen), wurden aus Frankreich (14), Deutschland (166), Spanien (53), den Niederlanden (20) und dem Vereinigten Königreich (142 „Erwähnungen“ von Kokain, davon 113 in England und Wales) gemeldet. Neun weitere Länder meldeten zwischen null und zwei Fällen. Zudem wird Kokain in einigen Ländern häufig bei der toxikologischen Analyse in Fällen einer Überdosierung von Opioiden nachgewiesen. Anhand der wenigen verfügbaren Daten können kaum zuverlässige Tendenzen ermittelt werden, jedoch scheint sich in allen Ländern, die über größere Zahlen von Todesfällen im Zusammenhang mit Kokain berichten, eine zunehmende Tendenz abzuzeichnen, d. h. in Deutschland, Spanien, Frankreich, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich, wobei jedoch in den Niederlanden die Zahlen in den letzten zwei Jahren nicht mehr gestiegen sind.
Darüber hinaus kann Kokain bei Todesfällen aufgrund von Herzkreislaufproblemen (Arrhythmie, Myokardinfarkt und zerebrale Hämorrhagie) eine Rolle spielen, insbesondere bei Drogenkonsumenten mit entsprechender Prädisposition, bei Vorliegen bestimmter Risikofaktoren (Rauchen, Bluthochdruck, Angiome) sowie bei älteren Menschen. Gegenwärtig bleiben möglicherweise viele dieser Fälle unbemerkt, da man sich dieser Problematik nicht ausreichend bewusst ist. In diesem Bereich sind weitere Forschungsarbeiten erforderlich.
Reduzierung drogenbedingter Todesfälle
Wirksame Maßnahmen
Eine Aufklärung über die Risiken des Drogenkonsums und den Umgang mit diesen Risiken sowie eine Vermittlung zu Diensten, darunter auch zu Therapien, sind nur möglich, wenn versucht wird, Drogenkonsumenten zu erreichen, die noch nicht in Behandlung sind, und geeignete Kommunikationskanäle geschaffen werden.
Die bei der Untersuchung der Begleitumstände von Überdosierungen gewonnenen Erkenntnisse wurden bei der Erarbeitung gezielter Maßnahmen für hochriskante Situationen und stark gefährdete Risikopersonen berücksichtigt. Diese Maßnahmen könnten zu einer deutlichen Reduzierung der unmittelbar durch den Konsum von Drogen verursachten Todesfälle beitragen. Die Bedeutung der unterschiedlichen Maßnahmen für die Verringerung akuter drogenbedingter Todesfälle durch Überdosierung wurde in einem Briefing der EBDD zur Drogenpolitik zusammenfassend dargestellt (EBDD, 2004d).
Da bei den meisten Todesfällen durch Überdosierung in Europa Heroin eine Rolle spielt, kann die Erhöhung des Anteils der in Behandlung befindlichen Heroinkonsumenten durchaus als eine Maßnahme zur Prävention von Überdosierungen betrachtet werden. Für die in letzter Zeit in einigen Mitgliedstaaten zu beobachtende ansatzweise Umkehrung der Tendenzen bei Todesfällen durch Überdosierung könnten mehrere Faktoren verantwortlich sein, darunter sinkende Prävalenzraten und ein Rückgang des injizierenden Drogenkonsums, verstärkte Präventionsbemühungen, verbesserte Verfügbarkeit und Inanspruchnahme von Therapien, ein zunehmender Verbleib in der Behandlung und möglicherweise auch ein vermindertes Risikoverhalten.
Maßnahmenprofile
In den meisten Ländern wird in Fachkreisen im Hinblick auf den Einsatz unterschiedlicher Präventionsstrategien die Auffassung vertreten, dass die opioidgestützte Substitutionstherapie das erfolgversprechendste Konzept darstellt, um eine Reduzierung der Todesfälle durch Überdosierung zu erreichen (212). In Ungarn und Schweden ist diese Therapieform zwar verfügbar, wird jedoch nicht als Instrument für die Verringerung der drogenbedingten Todesfälle betrachtet. In Estland und Polen wiederum hat das geringe Angebot von Substitutionstherapien zur Folge, dass in diesen Ländern die methadongestützte Substitutionsbehandlung gegenwärtig nicht als wichtige Maßnahme zur Reduzierung der Todesfälle durch Überdosierung gilt.
Darüber hinaus werden in den meisten europäischen Ländern informations-, aufklärungs- und kommunikationsorientierte Strategien als wichtig erachtet. In 19 Ländern werden Botschaften zur Verbesserung des Risikobewusstseins und Anweisungen zum Umgang mit Überdosierungen häufig oder größtenteils durch speziell erarbeitetes Informationsmaterial oder über andere Medien (Flyer, Websites, Kampagnen in den Medien) verbreitet. In sieben Ländern (Estland, Frankreich, Irland, Lettland, Ungarn, Malta und Finnland) kommen derartige Maßnahmen selten und in einem Land (Schweden) überhaupt nicht zum Einsatz.
Den Angaben der nationalen Knotenpunkte zufolge ist das Konzept einer systematischen Einbeziehung individueller Risikobewertungen in die Beratungs- und Behandlungsverfahren sowie der Risikoaufklärung und Vermittlung von Informationen über den Umgang mit den Risiken in Gruppensitzungen für Drogenkonsumenten weniger verbreitet.
Eine weit gefasste Kategorie von Aktivitäten kann als „entlassungsvorbereitende Maßnahmen“ bezeichnet werden. Diese reichen von einfachen Informationen über Beratungen zu Risiken und Prävention von Überdosierungen bis hin zur Einleitung oder Fortführung von Substitutionsbehandlungen in Haftanstalten. Jedoch werden derartige Maßnahmen in 13 Ländern nur selten und in weiteren fünf Ländern (Lettland, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden) überhaupt nicht durchgeführt. In Spanien, Italien und im Vereinigten Königreich jedoch gehören Maßnahmen in Haftanstalten zu den gängigsten Strategien zur Verringerung der akuten drogenbedingten Todesfälle.
Die mit dem injizierenden Drogenkonsum in der Öffentlichkeit verbundenen lokalen Risiken haben dazu geführt, dass in vier EU-Ländern und Norwegen (213) professionell überwachte Drogenkonsumräume eingerichtet wurden. Diese sollen vor allem jenen stark ausgegrenzten und risikofreudigen Drogenkonsumenten zur Verfügung stehen, die Drogen auf der Straße injizieren (EBDD, 2004c).
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